Dienstag, 5. Februar 2019

Der Dom von Münster mit seiner astronomischen Uhr oder das Geheimnis der Zeit


Münster liegt im Westen Deutschlands und ist allemal eine Reise wert. 
Ein bekanntes Wahrzeichen der Stadt mit seinen schmucken Giebelhäusern, dem gotischen Rathaus, der Lambertikirche aus dem Spätmittelalter und dem barocken fürstbischöflichen Schloss ist der St.-Paulus-Dom mit seinen gotischen und romanischen Elementen. Er zählt zu den bedeuteten Kirchenbauten in Münster und befindet sich mitten in der Altstadt auf dem Domplatz.



Der heutige Dom ist allerdings schon der dritte Dom des Bistums Münster. Die beiden Vorgängerbauten wurden abgerissen.
Die Baugeschichte des heutigen Doms beginnt etwa 1192. Der damalige Bischof ließ auf eigene Kosten den romanischen Westbau errichten. Nach dem Abriss des zweiten Doms wurde der Westbau erhalten und in den dritten Dom integriert.


Astronomische Uhr

Besonders beeindruckend ist die Astronomische Uhr im Dom zu Münster. Schon 1408 gab es hier die erste astronomische Uhr im Dom zu sehen. Diese wurde jedoch während der Täuferunruhen 1534 zerschlagen.
Nur wenige Jahre später konnten sich die Münsteraner über eine neue Uhr freuen. Diese wurde im Laufe der Jahre bedingt durch Kalenderreformen, Uhrwerkerneuerungen und optisch -künstlerischen Veränderungen mehrfach umgestaltet. 1927 wäre die astronomische Uhr sogar fast entfernt worden, konnte aber glücklicher Weise erhalten werden. Während des Krieges lagerte man die Uhr aus und bewahrte sie so vor der Zerstörung. Seit 1951 befindet sie sich nun wieder im St.-Paulus-Dom zu Münster und zeigt die Zeit an.
Priester hatten in allen Religionen die Aufgabe, die Termine für die religiösen Feste festzulegen. Dabei mussten sie zum Beispiel Vollmondstände genau berechnen können. Astronomen halfen durch ihre Vorausberechnungen bei der Justierung der zahlreichen Einstellungen der astronomischen Uhren.


Es soll einst ca. 1000 astronomische Uhren gegeben haben. Leider sind davon nur noch wenige erhalten, eine davon befindet sich in Münster. Die Uhr im Dom zu Münster weist eine beachtliche Größe auf, sie ist über 7 Meter hoch und wunderschön bemalt. Man kann an ihr unter anderem die Uhrzeit, die Tierkreiszeichen, die Himmelsrichtungen, den Stand der Gestirne am Himmel und das Datum ablesen. 
Links und rechts über der Uhr stehen kleine Figuren: Chronos, der Gott der Zeit, und der Tod.


Der Dom ist an Sonn- und Feiertagen von 6.30 bis 19.30 Uhr und
Montags bis Samstags von 6.30 bis 19 Uhr geöffnet.




Buchtipp:

Ein Winterpuzzle - oder Die ungewöhnliche Mär vom großen Mukk und der kühnen Algonda Fantasy-Roman für Kinder ab ca. 10 Jahren.



Dank Algondas Fantasie und Achtsamkeit, gelingt es ihr, zu erkennen, dass das wahre „sich Zeit nehmen“ nicht an materielle Dinge gekoppelt ist oder mit Zauber funktioniert, sondern dass den Menschen der Wert der Zeit bewusst gemacht werden muss. Sie findet eine profane Lösung, indem sie für Ruheinseln in der Stadt sorgen will, so dass sich die Menschen eine Pause in ihrem hektischen Handeln gönnen können. Ebenso tragen eine Zeitung, die nur gute Nachrichten verbreitet und die Eröffnung eines Märchen- und Kinderbuchmuseums zum Innehalten bei. In Algondas geistiger Welt, genauer gesagt in einem ihrer Träume, gelingt ihr jedoch eine sinnbildliche Erlösung der Menschen aus ihrem ewigen Denken im Kreise. Sie stoppt mutig ein Karussell, ein Bild für das rastlose „Sich-im-Kreise drehen“, in dem Menschen sitzen und nicht mehr absteigen können.
Das Kind handelt uneigennützig als Mittler zwischen der realen Welt und dem unermesslichen Schatz namens Fantasie


Dieses Fantasy-Märchen regt den jugendlichen Leser ab ca. 10 Jahren dazu an, über die Kostbarkeit des Zeit-Habens nachzudenken. Dass das Gegen-den-Strom-Schwimmen sicherlich auch seine Reize hat und in der Frage nach dem Sinn unserer hektischen Zeit eine Berechtigung darstellt, wenigstens darüber nachzudenken, was „Zeit haben“ bedeutet.

Leseprobe aus dem Buch

Es war tatsächlich schon kurz nach elf Uhr. Mukk hörte noch die Glocken der Lambertikirche und den Klang des Glockenspiels vom Stadthausturm. Auch die Glocken des Domes verkündeten der ganzen Stadt die Uhrzeit. Inzwischen schlug der Große Mukk seinen beinahe täglichen Weg – und zwar montags bis donnerstags- von der Neubrückenstraße  hinüber zum Dom ein. Bevor er den Domplatz im Durchschreiten der engen Domgasse zwischen den herrschaftlichen Giebelhäusern betrat, begann sein Herz zu hüpfen: Er liebte den prachtvollen Anblick des Doms, der die Stadt noch liebenswürdiger machte. Und eines war ihm auch dabei klar: dass allein seine Aufgabe im Dom mehr als nur einige Leute in Bann ziehen würde, wüssten sie, worum es geht! Nicht, dass er irgendeinen Arbeitgeber gehabt hätte, für den er diese Art Arbeit getan hätte, nein, er hatte sie sich auf seine eigene Fahne geschrieben: Jedem Käufer seiner Spielsachen eine zusätzliche Freude zu schenken.


Das Schenken machte ihn froh und bescherte ihm ein stetiges Glücksgefühl. Deshalb ging er nun weiter den kurzen Weg hinüber zum Dom, begleitet vom melodischen Geräusch, das sein Kiepeninhalt machte. Er war es gewohnt, dass bei dem ein oder anderen  schon mal ein ungläubiger Blick in den Augen aufblitzte, wenn er Mukk erblickte. Kein Wunder, Mukk war erheblich größer und stattlicher als andere, denn mit 2,22 Meter, der riesengroßen Kiepe auf dem Rücken und  der sonderbaren Kleidung aus aberhundert bunten Flicken auf der Jacke, stach er normalerweise aus der Menge der umherlaufenden Menschen heraus. Sein Gang erinnerte immer etwas an den einer Giraffe: gemächlich, konzentriert, anmutig. In seinen großen Stiefeln ließ es sich anscheinend auch gut gehen.
Trotzdem wurde er längst nicht von allen gesehen. Kinder, die aus der Schule kamen, winkten ihm allerdings häufiger zu und es kam schon ab und zu mal ein „Hallo Mukk“ oder „ Mukk, was hast du bloß in deiner Kiepe?“ oder: „ Was hast du den ganzen Morgen gemacht, Mukk?“. Dann lächelte er nur, ohne eine Antwort zu geben, denn eine solche wollten die Kinder gar nicht. Es bedeutete nur: Mukk, ja, wir kennen dich! Und auch der „kleine Riese“, wie ihn Adhelle liebevoll nannte, fühlte sich geehrt, wenn er aufgeweckten Kindern begegnete, die ihn erkannten.

Selbst heute, trotz des feuchtkalten Wetters, das ihm unter die Weste kroch, schienen sie doch beglückt den Heimweg von der Schule einzuschlagen. Das spornte ihn an, auch einen Schritt schneller zu gehen, wobei die Gläser in seiner Kiepe lustig zu Klirren anfingen.
 „Pass auf, dass die Flaschen nicht zerbrechen“, klang Adhelles Mahnung in seinem Ohr. Er verlangsamte sein Tempo, als er im großen Bogen auf den Domeingang zusteuerte. Es sah aus, als würde er zu den alltäglichen Besuchern des Domes gehören. Anders als die Besucher wich er aber plötzlich vom üblichen Weg zum Eingang ab, löste sich von den Strömen zum Domportal ab und huschte vor dem Ostquerhaus in eine uneinsehbare Ecke. 


Dort fuchtelte er in seiner Jackentasche nach dem Schlüssel, der ihm die Tür zu seiner Arbeitsstätte  öffnete.  Kein Domführer, weder gedruckt, noch sprechend, hatte je von diesem geheimen Eingang in den Chorumgang des Domes gewusst, noch weniger von dem geheimnisvollen Vorgang des Öffnungsrituals. Bei den Bauarbeiten vor vielen hundert Jahren war eine Pforte eingebaut worden, die dem menschlichen Auge verborgen bleiben musste. So geheimnisvoll ging es in Münster auch mit einigen anderen Gebäuden zu und sogar in weiteren Städten im Münsterland. Magie spielte dabei eine wichtige, einstmals eine völlig natürliche Rolle, hatte aber im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren. Deshalb gerieten solche Türen ins Vergessen. Lediglich Halvlechter wie Mukk, die mehr zu erblicken imstande waren als gewöhnliche Menschen, hatten die Fähigkeit, an den kleinsten Ritzen und Spalten einen geheimen Eingang zu erkennen - in diesem Fall den zum Dom. Der Große Mukk war heute noch einer der wenigen, der Kenntnis über den schlichten und doch ausgeklügelten Öffnungsvorgang hatte.                                                                                                             
Nachdem Mukk den Schlüssel in ein unscheinbares Schlüsselloch in der Fassade gesteckt, siebenmal gedreht und mit seiner Hand auf einen ausgewählten Stein gedrückt hatte, öffnete sich für einen kurzen Moment eine Pforte. Dahinter lag ein  verschwiegener Gang zwischen der Maximuskapelle und der Orgel, der ihn über ein kleines Treppenhaus und eine Brücke in luftiger Höhe und somit ganz in die Nähe oberhalb der Rückseite der Astronomischen Uhr führte.
Diesem geheimen Ritual folgte der Große Mukk immer- so wie gestern und vorgestern, letzte Woche, letzten Monat und all die letzten Jahre, und das seit ungefähr 30 Jahren. Indem er den Haupteingang mied, hatte er erst gar keine Aufmerksamkeit bei den Dombesuchern erregt.                                         
 Geräuschlos kletterte er die Leiter hinab, nachdem er gewissenhaft nachgeprüft hatte, ob sie standfest war und ihn mitsamt seiner gläsernen Last hielt. Dann öffnete er die kleine Klappe, die ihn endlich an sein Ziel führte: das schmale kupferne Rohr, das die Verbindung zur Vorderseite der Astronomischen Uhr mit der Sanduhr des Chronos herstellte. Sorgsam drehte er den Hahn rechts herum auf, (weil bei der astronomischen Uhr üblicherweise die Uhr rückwärts lief), und hielt eines seiner Glasfläschchen unter die Öffnung, um den Sand aufzufangen, der dem Chronos bei seinem viertelstündlichen Drehen der Sanduhr im Laufe des Tages verloren gegangen war. Dabei kam normalerweise so viel Sand zusammen, dass er viele bunte Flaschen schnell vollrieseln lassen konnte.


Heute füllte er lediglich die grünen Fläschchen; denn er ahnte, dass ihn der Wind am Wochenende nach Osten tragen würde. (Dazu sollte man Folgendes wissen: Der Große Mukk fährt jeden Freitag und jeden Samstag an einer geheimen und sehr außergewöhnlichen Stelle am Stadtrand Münsters mit seinem motorisierten Heißluftballon los und lässt sich vom Wind ganz zufällig in ein Städtchen des Münsterlandes treiben. Dort verkauft er auf den Märkten wundersames Spielzeug, wie Menschen es nicht herzustellen vermögen. Dieses fabriziert er in der Woche über, während Adhelle ihre Geschichten schreibt oder Fenster putzt… jeden Montag, jeden Dienstag, jeden Mittwoch und also natürlich auch jeden Donnerstag. Von morgens früh bis kurz vor elf Uhr. Und nachdem Adhelle wieder einmal den Kampf gegen den Haushalt gewonnen hat, schreibt sie noch Märchen und Geschichten, die Mukk in winzig kleine Bücher druckt und dann ebenso verkauft. Sonntags allerdings halten Mukk und Adhelle Ruhe und verbringen den Tag ausschließlich miteinander. Dieser Tag ist dann dem Geschichten-Erzählen vorbehalten, dem Sich-Erinnern und Luftschlösser-Bauen, wenn du verstehst, was ich meine.                                                                                                             
Etwas Besonderes an Mukks Spielzeug und den Büchern ist die praktische Größe. Sie sind klein und handlich, sie passen in jede Hosentasche und vor allem in Mukks Bauchladen. Ja, du hast richtig gelesen: Mukk spaziert mit einem Bauchladen durch die Orte, und wie du dir denken kannst, ist er ja allein deswegen schon ziemlich bekannt; denn wer geht schon mit so etwas in der Weltgeschichte herum und fährt zudem noch mit einem Heißluftballon durch die Gegend ?Aber die allermeisten Menschen vergessen ihn schnell wieder. Die Käufer seiner Spielsachen und Märchenbücher - und das sind zumeist Kinder, die lächelnd das Kleingeld von ihren Eltern oder Großeltern für das auserwählte Teil bekommen - staunen nicht schlecht, wenn sie vom augenzwinkernden Mukk nach dem Kauf noch etwas geschenkt bekommen: Ein mit Zeitsand gefülltes Glasfläschchen.  

                                                                                                   
Ich habe noch von niemandem gehört, der nicht gerne das zauberhafte Glasfläschchen mitgenommen hätte. Wie ein Bonbon, nach dessen Geschmack man nicht fragt, sondern sich über die Geste des Schenkens freut. Als wäre es ein Geheimnis zwischen Mukk und dem Käufer, das auf jeden Fall bewahrt werden müsste. Und ein Geheimnis muss es tatsächlich sein, denn wie es funktioniert, weiß ich bis heute nicht: Mit jedem Fläschchen erhält man auch ein Stück, oder wie sagt man, ein gewisses Maß Zeit geschenkt, das man für das Spielen eines Spiels  oder das Lesen eines Buches braucht – egal, wie lange es dauert und wie oft man es braucht. Allein schon beim Gedanken an Zeit bekommt man sie plötzlich, auch wenn man vorher dachte, man hätte sie gar nicht. Das ist das Wundersame am Zeitsand.)



 Nun zurück zum Großen Mukk, der mit dem heutigen Abfüllen des Zeitsandes bald fertig war. Noch ein paar Minuten, dann ist es wieder soweit!, dachte er und freute sich wie üblich auf das bevorstehende Ereignis: Es war exakt eine Minute vor zwölf Uhr, als Mukk seinen Blick auf die Stelle richtete, wo das ‚Tutemännchen‘ kurz danach genau zwölf Mal in sein Horn blasen und seine Frau ebenso zwölf Mal auf ihre Glocke schlagen sollte. Bei den Besuchern des Domes herrschte gespannte Stille vor der Uhr. Mukk war immer wieder begeistert, die überraschten und ehrfürchtigen Gesichter zu beobachten, denn dazu hatte er genügend Zeit, während er den Sand in seine Fläschchen rieseln ließ. Schon lange vorher verharrten die Leute teils andächtig, teils neugierig flüsternd vor dem mittelalterlichen Kunstwerk und  betrachteten erstaunt dessen verschiedene Teile: Ein scheinbar kompliziertes Kalendarium im unteren Teil und darüber die eigentliche  Uhr mit vielen verwirrenden Zeigern, die stets von Domführern erklärt wurden. Alles war ausschließlich von Künstlerhand gemalt. Auch wenn etwas aussah wie ein Holzrahmen, war alles glatt wie ungelocktes Engelshaar. Obendrein ließen zwölf Miniaturbilder wie Bildergeschichten den Betrachter ahnen, wie es das Jahr über im 16. Jahrhundert in Münster zuging.
Jeden Mittag um zwölf Uhr jedoch, kam ein Schauspiel in Gang, auf das sich selbst der große Mukk noch täglich wie ein Kind freute: Obwohl man die Szene nicht als „Theater“ bezeichnen sollte, war es faszinierend, einen Rundgang von metallenen Puppen der Heiligen Drei Könige und zwei hölzernen Dienern, die sich um Maria und ihr Jesuskind bewegten und sich vor ihr verneigten, verfolgen zu können. Während dieses mechanischen Wunders ertönten die Glocken und Mukk musste sich oft ein Lachen unterdrücken, weil nur er sah, dass dem schwarzen König jedes Mal bei der Verbeugung fast der Turban mitsamt der Krone vom Kopf fiel. Hinter den Kulissen hatte Mukk einmal mitbekommen, wie ihn die beiden anderen Könige deswegen gerügt und aufgefordert hatten, den Turban doch endlich mal festnähen zu lassen. Deswegen war sogar ein kleiner Streit zwischen den Durchlauchten entbrannt, denn der Turbankönig fühlte sich gemaßregelt und drohte seinerseits, dem Jesuskind zu erzählen, dass der dritte König keinen Weihrauch mitgebracht hätte, sondern nur einfaches, nicht einmal gut riechendes Schilfgras aus Ägypten. Dann lachte der andere König aus vollstem Herzen und offenbarte so, dass in seinem Mund mehr als die Hälfte der sonst üblichen Anzahl Zähne fehlte. Das ließ den drohenden Verlust des Kopfschmucks des Turbankönigs nur noch halb so schlimm erscheinen, aber am Ende waren sich alle einig, dass das dem Jesuskind wahrscheinlich egal wäre, ob ein Turban rutschte, der Weihrauch nicht echt war oder Zähne fehlten…



©byChristine Erdic



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